Die Genfer Abkommen von 1949 und ihre Zusatzprotokolle

01. Januar 2014

Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle sind völkerrechtliche Verträge, die die wichtigsten Regeln zur Eindämmung der Barbarei des Krieges enthalten. Sie schützen Menschen, die nicht an den Feindseligkeiten teilnehmen (Zivilpersonen, medizinisches Personal, Helfer) oder nicht mehr kämpfen können (verwundete, kranke und schiffbrüchige Soldaten, Kriegsgefangene).

Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle sind das das Kernstück des humanitären Völkerrechts, jenes Teils des Völkerrechts, der die Austragung bewaffneter Konflikte regelt und ihre Auswirkungen zu begrenzen sucht. Sie schützen insbesondere Menschen, die nicht an Feindseligkeiten teilnehmen (Zivilpersonen, Gesundheitspersonal und Helfer) oder nicht mehr teilnehmen können, so etwa verwundete, kranke und schiffbrüchige Soldaten sowie Kriegsgefangene. Die Abkommen und ihre Protokolle fordern Massnahmen, die Verstösse verhindern oder ihre Einstellung bewirken sollen. Sie enthalten strenge Vorschriften für den Umgang mit „schweren Verletzungen". Die für schwere Verletzungen Verantwortlichen sind ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit zu ermitteln, vor Gericht zu stellen oder auszuliefern.

Die Genfer Abkommen von 1949

Das I. Genfer Abkommen schützt Verwundete und Kranke der Streitkräfte im Feld.

Dieses Abkommen ist die vierte und aktualisierte Version der Genfer Konvention von 1864, der 1906 und 1929 zwei Neufassungen gefolgt waren. Das Abkommen enthält 64 Artikel, die Verwundete und Kranke, aber auch das Sanitätspersonal und die Feldgeistlichen, Sanitätseinheiten und Sanitätstransporte schützen. Das Abkommen erkennt auch die Schutzzeichen an. Die beiden Anhänge enthalten den Entwurf einer Vereinbarung über Sanitätszonen und das Muster einer Ausweiskarte für Mitglieder des Sanitäts- und Seelsorgepersonals.
Text des I. Genfer Abkommens (auf Englisch) >

Das II. Genfer Abkommen schützt Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige der Streitkräfte auf See.

Dieses Abkommen ersetzte das Haager Abkommen von 1907, das die Grundsätze des Genfer Abkommens von 1906 auf den Seekrieg anwandte. Struktur und Inhalt entsprechen weitgehend dem I. Genfer Abkommen. Die 63 Artikel sind auf den Seekrieg zugeschnitten; so werden beispielsweise Lazarettschiffe unter Schutz gestellt. Der Anhang enthält das Muster einer Ausweiskarte für Mitglieder des Sanitäts- und Seelsorgepersonals.
Text des II. Genfer Abkommens (auf Englisch) >

Das III. Genfer Abkommen wird auf Kriegsgefangene angewandt.

Dieses Abkommen ersetzte das Kriegsgefangenenabkommen von 1929. Es enthält 143 Artikel, während das Abkommen von 1929 lediglich 97 Artikel zählte. In Übereinstimmung mit dem I. und II. Abkommen wurde die Definition der Personen mit Anspruch auf Kriegsgefangenenstatus erweitert. Die Haftbedingungen und Gewahrsamsorte wurden insbesondere im Hinblick auf Arbeit und Geldmittel der Gefangenen, Hilfssendungen und gegen Gefangene eingeleitete Verfahren genauer definiert. Das Abkommen schreibt vor, dass Kriegsgefangene nach Beendigung der aktiven Feindseligkeiten ohne Verzug freigelassen und heimgeschafft werden. Die fünf Anhänge enthalten verschiedene Muster-Vereinbarungen und Vorlagen für Ausweiskarten, Bescheinigungen etc.
Text des III. Genfer Abkommens (auf Englisch) >

Das IV. Genfer Abkommen schützt Zivilpersonen einschliesslich der Zivilpersonen in besetzten Gebieten.

Die vor 1949 angenommenen Abkommen betrafen keine Zivilpersonen, sondern nur Kämpfende. Der Zweite Weltkrieg zeigte, dass der mangelnde Schutz für Zivilpersonen in Kriegszeiten katastrophale Folgen hatte. Diese Erfahrung prägte das 1949 angenommene Abkommen mit seinen 159 Artikeln. Es enthält einen kurzen Abschnitt zum allgemeinen Schutz der Bevölkerung vor gewissen Kriegsfolgen, geht jedoch nicht auf die Führung der Feindseligkeiten ein, die später in den Zusatzprotokollen von 1977 behandelt wurden. Der grösste Teil des Abkommens behandelt die Rechtsstellung und Behandlung der geschützten Personen, wobei unterschieden wird zwischen der Situation von Ausländern im Gebiet einer der Konfliktparteien, und der Situation der Zivilbevölkerung im besetzten Gebiet. Das Abkommen führt die Verpflichtungen der Besatzungsmacht gegenüber der Zivilbevölkerung auf und enthält detaillierte Bestimmungen zu humanitären Hilfsaktionen für die Bevölkerung besetzter Gebiete. Zudem enthält es spezielle Regeln für die Behandlung von Zivilinternierten. Die drei Anhänge enthalten Entwürfe einer Vereinbarung über Sanitäts- und Sicherheitszonen und einer Regelung über Hilfssendungen sowie Postkartenmuster.
Text des IV. Genfer Abkommens (auf Englisch) >

Gemeinsamer Artikel 3

Mit dem allen vier Genfer Abkommen gemeinsamen Artikel 3 gelang ein Durchbruch: Erstmals wurde der Geltungsbereich auf nicht internationale bewaffnete Konflikte erweitert. Diese Art von Konflikten ist höchst vielfältig. Dazu zählen klassische Bürgerkriege, innerstaatliche bewaffnete Konflikte, die auf andere Länder übergreifen, und innerstaatliche Konflikte, in denen neben der Regierung Drittstaaten oder multinationale Truppen intervenieren. Der gemeinsame Artikel 3 stellt Grundregeln auf, die keine Ausnahmen zulassen. Er ähnelt einer Mini-Ausgabe der Abkommen, denn er enthält die wichtigsten Regeln der Genfer Abkommen in komprimierter Form und sieht ihre Anwendbarkeit auch in nicht internationalen Konflikten vor.

Er fordert für alle Personen in Feindeshand menschliche Behandlung ohne jegliche Benachteiligung. Ausdrücklich verbietet er Tötung, Verstümmelung, Folterung, grausame, erniedrigende und entwürdigende Behandlung, Geiselnahme und unfaire Gerichtsverfahren.
Er schreibt vor, dass Verwundete, Kranke und Schiffbrüchige geborgen und gepflegt werden.
Er gewährt dem IKRK das Recht, den am Konflikt beteiligten Parteien seine Dienste anzubieten..
Er ruft die am Konflikt beteiligten Parteien auf, sich zu bemühen, durch Sondervereinbarungen auch die anderen Bestimmungen des Abkommens ganz oder teilweise in Kraft zu setzen.
Er anerkennt, dass die Anwendung dieser Bestimmungen auf die Rechtsstellung der am Konflikt beteiligten Parten keinen Einfluss hat.
Angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Mehrzahl der heutigen Konflikte um nicht internationale Konflikte handelt, ist die Anwendung des gemeinsamen Artikels 3 von grösster Bedeutung. Er muss vollumfänglich eingehalten werden.

Welches ist der Geltungsbereich der Genfer Abkommen?

Die Genfer Abkommen wurden von allen Staaten ratifiziert und gelten daher weltweit.
Vertragsstaaten der Genfer Abkommen >

Die Zusatzprotokolle der Genfer Abkommen

In den zwei Jahrzehnten nach der Annahme der Genfer Abkommen war weltweit eine Zunahme nicht internationaler bewaffneter Konflikte und nationaler Befreiungskriege zu beobachten. Daher wurden 1977 zwei Zusatzprotokolle zu den vier Abkommen von 1949 angenommen. Sie verstärken den Schutz der Opfer internationaler (Protokoll I) und nicht internationaler (Protokoll II) bewaffneter Konflikte und setzen der Art und Weise, wie Kriege geführt werden, Grenzen. Das Zusatzprotokoll ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der sich ausschliesslich mit nicht internationalen bewaffneten Konflikten befasst.

2005 wurde ein drittes Zusatzprotokoll angenommen, das den Roten Kristall als zusätzliches Schutzzeichen einführte, das den gleichen völkerrechtliches Status hat wie das Rote Kreuz und der Rote Halbmond.

Zusatzprotokoll I - internationale Konflikte >
Zusatzprotokolll II - nicht-internationale Konflikte >
Zusatzprotokoll III - zusätzliches Schutzzeichen >