Medienmitteilung

Im Südsudan hungern fast sechseinhalb Millionen Menschen

Von Judika Peters, Leiterin der IKRK-Unterdelegation in Rumbek, Südsudan
Juba/Genf — Im Südsudan hungern fast sechseinhalb Millionen Menschen – das entspricht drei Vierteln der Bevölkerung der Schweiz – und viele von ihnen leben auch sechs Jahre nach dem Beginn des verheerenden Konflikts im Südsudan als Vertriebene im eigenen Land.

Es liegen Welten zwischen meinem Heimatkanton St. Gallen und Rumbek. Hier herrscht drückende Hitze, und der Reichtum einer Familie bemisst sich nach der Grösse ihrer Viehherde.

Die Lage ist dramatisch: Es herrscht allgegenwärtige Gewalt sowie Mangel an Nahrung, medizinischer Versorgung und anderen lebenswichtigen Gütern. Zwar hat sich die Ernährungslage in Vergleich zum Vorjahr leicht verbessert, doch Millionen sind weiterhin auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.
Wir bemühen uns, Familien zu helfen, die vom Konflikt betroffen sind. In diesem Jahr verteilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bisher Nahrungsmittel, Saatgut und landwirtschaftliche Geräte – darunter mehr als 6300 Tonnen Lebensmittel auf dem Land-, Wasser- und Luftweg – an mehr als eine Million Südsudanesen.

„Ich esse das, was ich bekomme. Bekomme ich nichts, dann esse ich eben nichts", sagt Luka (28). Wie Millionen seiner Landleute wurde er durch die Kämpfe vertrieben und überlebt im Wesentlichen dank humanitärer Hilfe.

Das IKRK versorgte in diesem Jahr bislang mehr als 71 000 Familien mit Saatgut und Werkzeugen. 85 Prozent von ihnen sehen nun voller Hoffnung das Getreide wachsen, das sie gesät haben. Sie werden es noch vor Ende des Jahres ernten, wenn sie nicht durch Kämpfe gezwungen werden, erneut zu fliehen.
Im Südsudan gibt es nicht nur zu wenig zu essen, sondern auch zu viele Waffen. Trotz des Friedensabkommens ist eine besorgniserregende Tendenz zu Viehraubzügen und Vergeltungsmorden zu beobachten, die wiederum Auseinandersetzungen zwischen Clans und ethnischen Gruppen mit zahlreichen Toten und Verletzten zur Folge haben. Wie im Krieg werden Häuser und Sachwerte zerstört und Familien zur Flucht gezwungen.
Dies gilt für den gesamten Südsudan. Das IKRK verzeichnet eine 25-prozentige Zunahme der Patienten mit gewaltbedingten Verletzungen, die seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens vor einem Jahr von unseren chirurgischen Teams behandelt wurden: Zwischen Oktober 2017 und Juni 2018 wurden 526 Patienten operiert, im gleichen Zeitraum ein Jahr später waren es bereits 688 Patienten.

Im nächsten Monat läuft die Frist für die Bildung einer Einheitsregierung ab. Ich hoffe, dass der südsudanesischen Führung dieser entscheidende Schritt auf dem Weg zum Frieden gelingt. Solange das Land jedoch mit Waffen überschwemmt bleibt, wird die Stabilität, die die Menschen nach sechs Jahren Krieg so dringend brauchen, nach wie vor durch sinnlose Gewalt bedroht sein.
Wenn die Gewalt anhält, werden wir vom IKRK auch weiterhin den Opfern helfen und den Spendern in der Schweiz dafür danken, dass sie uns helfen, unsere Arbeit zu tun.

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an
Christoph Hanger, IKRK Genf – changer@icrc.org – +41 79 574 06 36 – der Ihre Fragen beantworten oder vor Ort ein Gespräch mit Judika Peters vermitteln kann.