Humanitäres Völkerrecht und Richtlinien über

Cyber-Operationen in bewaffneten Konflikten

Der Einsatz von Cyber-Operationen als Mittel oder Methode der Kriegsführung in bewaffneten Konflikten stellt für Zivilpersonen ein grosses Risiko dar. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, wie das humanitäre Völkerrecht Zivilpersonen, zivile Infrastrukturen und zivile Daten gegen Cyberangriffe schützt.

New York, United Nations headquarters (2023). To mark the "protection of civilians" week, the ICRC launches its interactive installation "Digital Dilemmas" which delves into the threat posed by digital environments in situations of armed conflict. Thomas Glass/ICRC

Cyber- und Informations-Operationen und humanitäres Völkerrecht

Heutzutage ist der Einsatz von Cyber-Operationen in Kriegszeiten eine Realität. Zwar geben nur wenige Staaten öffentlich zu, dass sie solche Operationen einsetzen, doch immer mehr Staaten bauen ihre militärischen Cyber-Fähigkeiten aus. Cyber-Operationen dürften in Zukunft weiter zunehmen. 

Die internationale Gemeinschaft anerkennt, dass Cyber-Operationen, ebenso wie alle anderen Mittel und Methoden der Kriegsführung, zivile Infrastruktur schwer beschädigen und zerstörerische humanitäre Folgen haben können. 

Es besteht ein reales Risiko, dass Cyber-Instrumente – willentlich oder fälschlicherweise – bedeutende, umfassende Auswirkungen auf zentrale zivile Infrastruktur wie wichtige Industrien, Telekommunikations-, Transport-, Regierungs- und Finanzsysteme haben werden. 

In den jüngsten Jahren durchgeführte Cyber-Operationen – in erster Linie ausserhalb bewaffneter Konflikte – haben gezeigt, dass Malware sich im Nu rund um die Welt verbreiten und zivile Infrastruktur sowie wichtige Dienstleistungen beeinträchtigen kann. 

Die zunehmende Verwendung von militärischen Cyber-Fähigkeiten und die damit verbundenen humanitären Bedenken unterstreichen, wie wichtig es ist, zu einem gemeinsamen Verständnis der rechtlichen Einschränkungen zu gelangen, die für Cyber-Operationen in bewaffneten Konflikten anwendbar sind. 

Das wichtigste Regelwerk im Zusammenhang mit Cyber-Operationen ist das humanitäre Völkerrecht (HVR). Die Staaten haben ihre Regeln so kodifiziert, dass sie – in den Worten des Internationalen Gerichtshofs – für alle Formen der Kriegsführung und alle Arten von Waffen, einschliesslich künftiger, gelten. 

Die Grundregeln sind klar: Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Objekte sind verboten; unterschiedslos wirkende Waffen dürfen nicht verwendet werden; willkürliche und unverhältnismässige Angriffe sind verboten; medizinische Dienste müssen geachtet und geschützt werden. Diese und viele andere Regeln gelten auch für den Cyberspace. 

Andere Fragen müssen noch genauer geklärt werden. Dazu gehören zum Beispiel, ob zivile Daten denselben Schutz geniessen wie zivile Objekte und ob Cyper-Operationen, die Systeme stören, dabei aber keinen physischen Schaden anrichten, als Angriffe gemäss Definition im humanitären Völkerrecht gelten. 

Wir begrüssen die wachsende internationale Aufmerksamkeit für die potenziellen menschlichen Kosten im Zusammenhang mit Cyber-Operationen und das anwendbare Völkerrecht. Die Gesellschaften werden rasch digitalisiert. Es ist wichtig, dass das humanitäre Völkerrecht so ausgelegt und angewendet wird, dass nicht nur physische Objekte, sondern auch digitale Infrastrukturen, auf die sich die Menschen in ihrem Alltag verlassen, geschützt werden.