Humanitäres Völkerrecht und Richtlinien über

Kriegsführung und die natürliche Umwelt

Das humanitäre Völkerrecht schützt die natürliche Umwelt und legt Regeln fest, um die während Kriegen verursachten Schäden an der Umwelt zu begrenzen.

Oil refinery on fire in the outskirts of Grosny (Russia) as result of bombing raid.

Kriegsführung, die natürliche Umwelt und das Völkerrecht

Das humanitäre Völkerrecht (HVR) hat zum Ziel, die Zivilbevölkerung während bewaffneten Konflikten zu schützen und ihr Überleben zu sichern. Daraus ergibt sich, dass das HVR auch die natürliche Umwelt zu schützen sucht – denn ohne sie ist menschliches Leben unmöglich. 

Das HVR schützt die Umwelt auf zweierlei Art und Weise: durch seine allgemeinen Bestimmungen sowie durch einige spezifische Zusatzregelungen. 

Die allgemeinen Bestimmungen über die Durchführung von Feindseligkeiten gelten auch für die Umwelt. Im Normalfall ist die natürliche Umwelt von ihrem Wesen her ein ziviles Objekt und darf nicht angegriffen werden, ausser wenn sie in ein militärisches Ziel umgewandelt wurde. Mögliche Schäden an der Umwelt müssen zudem berücksichtigt werden, wenn man die Verhältnismässigkeit eines Angriffs auf ein militärisches Ziel abschätzt. 

Das Erste Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen umfasst überdies ein spezifisches Verbot des Einsatzes von Methoden und Mitteln der Kriegsführung, die dazu bestimmt sind oder von denen erwartet werden kann, dass sie ausgedehnte, langanhaltende und schwere Schäden der natürlichen Umwelt verursachen. Zudem untersagt das Protokoll Angriffe gegen die Umwelt als Repressalie. 

Das Römer Statut von 1998, mit dem der Internationale Strafgerichtshof geschaffen wurde, erklärt das Verursachen weitreichender, langfristiger und schwerer Schäden an der natürlichen Umwelt zu einer Verletzung des Prinzips der Verhältnismässigkeit und somit zu einem Kriegsverbrechen. 

Zu den weiteren spezifischen Bestimmungen gehört das Verbot der Zerstörung von Agrarland und Trinkwasserinfrastruktur mit dem Ziel, der Zivilbevölkerung zu schaden. 

Das IKRK befürchtet insbesondere, dass der Zugang zu knappen Wasserressourcen in zukünftigen Konflikten zu einer Waffe gegen die Zivilbevölkerung werden könnte. Die Verschmutzung oder Zerstörung von Wasserressourcen kann schwerwiegende Folgen für die Gesundheit und das Überleben ganzer Gemeinschaften nach sich ziehen. 

Ergänzend hat die internationale Gemeinschaft 1976 ein eigenes Übereinkommen über die kriegerische Nutzung der Umwelt geschaffen: das Übereinkommen über das Verbot der militärischen oder einer sonstigen feindseligen Nutzung umweltverändernder Techniken, gemeinhin auch als ENMOD-Konvention bekannt. 

Dieses Übereinkommen betrifft „jede Technik zur Änderung der Dynamik, der Zusammensetzung oder der Struktur der Erde […] durch bewusste Manipulation natürlicher Abläufe“. 

Die Vertragsparteien verpflichten sich darin, „umweltverändernde Techniken, die weiträumige, lange andauernde oder schwerwiegende Auswirkungen haben“, nicht „als Mittel zur Zerstörung, Schädigung oder Verletzung eines anderen Vertragsstaats zu nutzen“. 

Schliesslich hilft das IKRK auch mit, sicherzustellen, dass Militärangehörige sich ihrer Pflicht zum Schutz und zur Wahrung der natürlichen Umwelt während eines bewaffneten Konfliktes bewusst sind. In diesem Sinne hat die Organisation mehrere Expertentagungen organisiert, die zur Verabschiedung der Guidelines for Military Manuals and Instructions on the Protection of the Environment in Times of Armed Conflict (Richtlinien für militärische Handbücher und Anweisungen zum Schutz der Umwelt in Zeiten eines bewaffneten Konflikts), einer Zusammenfassung bestehender völkerrechtlicher Regeln, geführt haben. 1994 wurden diese Richtlinien der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgelegt, und sie empfahl sie allen Staaten zur Berücksichtigung.