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Afghanistan: Selbst an der Schwelle zum Frieden werden viele Menschen im Krieg verletzt

Anlässlich der am 23. und 24. November in Genf stattfindenden Geberkonferenz für Afghanistan 2020 äussert Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, seine Gedanken zur aktuellen Lage im Land:

In Afghanistan sprechen wir vom Frieden, doch die Gewalt tötet, verstümmelt und vertreibt nach wie vor. Wir sprechen von Entwicklung, doch selbst an Grundversorgung mangelt es. Wir sprechen von der Zukunft, und wir hoffen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz ist seit 33 Jahren in Afghanistan im Einsatz. Wir kennen die Wunden, die dieser lange Krieg auch weiterhin bei Millionen Menschen hinterlässt.
Die jahrzehntelangen Kämpfe haben das Gesundheitssystem fast vollständig zerstört. Mittlerweile hat COVID-19 das Land fest im Griff und Millionen Menschen brauchen Gesundheitsversorgung dringender als je zuvor.

Wir begrüssen die Friedensverhandlungen, denn sie bieten Afghanistan und seiner Bevölkerung die Möglichkeit, den jahrzehntelangen Konflikt zu beenden. Seit Beginn der Friedensgespräche verschärfen sich jedoch die Feindseligkeiten, und die Anzahl der Menschen, die durch Waffen verwundet und in Spitäler eingeliefert werden, nimmt zu.

Heute haben wir drei Anliegen. Erstens rufen wir alle Parteien auf, dafür zu sorgen, dass Zivilpersonen, Gesundheitspersonal und Gesundheitseinrichtungen gemäss dem humanitären Völkerrecht vor Angriffen geschützt werden. In diesem Konflikt ist die Anzahl der tödlichen Angriffe auf Zivilpersonen und medizinische Dienste erschreckend.

Zweitens müssen Friedensgespräche humanitäre Anliegen aufgreifen. Wir ermutigen die Konfliktparteien, zu spezifischen Themen Vereinbarungen zu treffen, die dazu beitragen können, das Leid aller Betroffenen zu lindern.

Drittens rufen wir zur Unterstützung der humanitären Arbeit auf. Selbst wenn morgen ein Friedensvertrag abgeschlossen wird, würde er die grosse Not der Menschen nicht lindern.
Afghanistan befindet sich an einem Scheideweg: Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Frieden, Wohlstand und Eigenständigkeit ist es, die vom Konflikt betroffenen Menschen zu schützen und ihre zutiefst humanitären Bedürfnisse zu erfüllen.

  • Hinweis: Die obigen Überlegungen sind einem Vortrag entnommen, den Peter Maurer am Dienstag, dem 24. November an der Geberkonferenz für Afghanistan 2020 gehalten hat.

Weitere Informationen:

Jason Straziuso, tel: +41 79 949 3512 oder jstraziuso@icrc.org