COVID-19 in Syrien: IKRK unterstützt weiterhin Millionen von Menschen und bereitet sich auf die Bekämpfung des Virus vor
Zu Beginn des zehnten Konfliktjahres schwebt der Schatten einer unsichtbaren Bedrohung über Syrien. Im Rahmen seines grössten Einsatzes hilft das IKRK Millionen von Syrerinnen und Syrern weiterhin, einen minimalen Lebensstandard aufrecht zu erhalten und passt seine Aktivitäten an, um die anfälligsten Gruppen wie Vertriebene und Inhaftierte vor der COVID-19-Pandemie zu schützen.
Nach Wochen erhöhter Alarmbereitschaft und der Einführung erster Schutzmassnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der Pandemie im Land bestätigte Syrien am 22. März 2020 die erste Ansteckung offiziell, gefolgt von einem ersten COVID-19-Todesfall am 29. März 2020. In der zweiten Märzhälfte wurden die Versammlungs- und Bewegungsbeschränkungen schrittweise verschärft und bis Ende April wurde eine teilweise Ausgangssperre verhängt.
Diese weltweite Pandemie erreicht Syrien zu Beginn des zehnten Jahres eines zerstörerischen Konflikts, der zu Massenvertreibungen geführt und ein einst solides Gesundheitssystem in einen prekären Zustand versetzt hat. Die Hälfte aller Gesundheitseinrichtungen ist heute ausser Betrieb oder funktioniert nur noch zum Teil. Die Wirtschaft des Landes ist infolge des Konflikts, der Sanktionen und des Abschwungs in der Region eingebrochen, was die Situation für viele Syrerinnen und Syrer noch schlimmer macht.
Obwohl in einem grossen Teil des Landes im vergangenen Jahr eine gewisse Stabilität herrschte, gibt es nach wie vor Gebiete mit aktiven Auseinandersetzungen und folglich besonders schwierigen Lebensbedingungen. Dies ist der Fall für die Gegend rund um Idlib, wo in den vergangenen Monaten eine Million Menschen vertrieben wurde. Im Nordosten des Landes leben rund 100 000 Menschen in Lagern. Millionen Vertriebene in anderen Teilen des Landes leben in ähnlichen Bedingungen.
Durch Konflikte vertriebene Menschen sind gesundheitlich besonders anfällig. Die provisorischen Unterkünfte und Lager sind überfüllt, die sanitären Anlagen, der Zugang zu medizinischer Versorgung und Ernährung unzureichend. Inhaftierte sind eine weitere Gruppe, die besonderer Aufmerksamkeit bedarf.
Der IKRK-Einsatz in Syrien ist der weltweit grösste. Unsere Tätigkeiten waren für Millionen von Syrern in den vergangen neun Jahren eine Überlebenshilfe. Gemeinsam mit unserem operativen Partner, dem Syrisch-Arabischen Roten Halbmond (SARC), passen wir unsere Programme weiter an und verstärken sie, um eine breite Palette an lebensrettenden Aufgaben aufrechtzuerhalten und gleichzeitig spezifische Massnahmen zu entwickeln, um die Ausbreitung von COVID-19 in diesem geschwächten Umfeld zu verhindern bzw. einzudämmen.
Unsere umfangreichen Programme in den Bereichen Wasser und Infrastruktur, Gesundheit, wirtschaftliche Sicherheit und Schutz unter dem humanitären Völkerrecht erfüllen nicht nur konfliktbedingte Bedürfnisse, sondern spielen dank ihrem Fokus auf besonders anfällige Bevölkerungsgruppen auch eine bedeutende Rolle in der Verbesserung der sanitären Bedingungen, der Ernährung und des Gesundheitszustands von Millionen von Syrerinnen und Syrern zum Zeitpunkt der COVID-19-Pandemie.
So arbeiten wir konkret, um die Ausbreitung von COVID-19 in Syrien einzudämmen:
1. Unterstützung und Zusammenarbeit mit dem SARC, um die Ausbreitung von COVID-19 unter anfälligen Bevölkerungsgruppen einzudämmen
Dies erfolgt anhand einer geplanten dreimonatigen Verteilung von Hygieneartikeln an hilfsbedürftige Binnenvertriebene. Wir stellen weiterhin Desinfektionsmittel und Material für die SARC-Aktivitäten zur Infektionsprävention und -eindämmung in öffentlichen Einrichtungen aller syrischen Gouvernements bereit. Zudem liefern wir finanzielle und technische Ressourcen, um es dem SARC zu ermöglichen, im ganzen Land Informations- und Sensibilisierungskampagnen durchzuführen. Das gemeinsam vom SARC und dem IKRK betriebene Feldspital Al Hol bietet der Lagerbevölkerung weiterhin wichtige medizinische Dienstleistungen und bereitet gleichzeitig vorbeugende Massnahmen vor, testet Patienten und beteiligt sich gemeinsam mit anderen humanitären Akteuren im Lager am Aufbau eines Isolationszentrums.
2. Unterstützung des SARC, des Gesundheitspersonals und der humanitären Helferinnen und Helfer, sich vor einer Ansteckung mit COVID-19 zu schützen
Wir haben mit der Verteilung von Desinfektionsmittel und persönlicher Schutzausrüstung begonnen und werden diese intensivieren, damit sich alle SARC/IKRK-Mitarbeitenden, das Gesundheitspersonal sowie freiwillige Helferinnen und Helfer bei ihrer Arbeit angemessen schützen können. Dieselbe Unterstützung erhält das Personal ausgewählter öffentlicher Gesundheitseinrichtungen, die für hilfsbedürftige Bevölkerungsgruppen wichtig sind.
3. Unterstützung der Behörden, um die Ausbreitung von COVID-19 in Haftanstalten zu verhindern oder einzudämmen
Wir stellen Gefängnisbehörden desinfizierende Reinigungsmittel sowie persönliche Schutzausrüstung für das Gefängnis- und Gesundheitspersonal sowie entsprechende technische Anweisungen bereit. Zudem liefern wir Hygieneartikel für Inhaftierte in einigen Zentralgefängnissen und helfen bei der Linderung der Auswirkungen temporärer Besuchsverbote.
4. Gewährleistung, dass lebenswichtige Bedürfnisse wie der Zugang zu sauberem Wasser, Essen und medizinischer Versorgung gewährt bleiben
Gemeinsam mit dem SARC stellen wir weiterhin sicher, dass die breite Bevölkerung regelmässig Zugang zu sauberem Wasser hat, indem es entweder in Lastwagen herangeschafft wird oder wichtige Pumpwerke instand gehalten und repariert werden. Unser Gesundheitsteam unterstützt weiterhin lokale Gesundheitseinrichtungen, die andere lebensbedrohende gesundheitliche Probleme wie Herzerkrankungen, Diabetes und Kriegsverletzungen behandeln. Zudem gewährleisten wir durch die Verteilung von Nahrungsmittelpaketen und warmen Mahlzeiten die Ernährung der Bevölkerung.
Einige Zahlen:
- Über 700 freiwillige Helferinnen und Helfer des SARC und syrisches Gesundheitspersonal wurden mit persönlicher Schutzausrüstung versorgt.
- Jede Woche werden im Feldspital Al Hol über 200 Untersuchungen durchgeführt.
- Jeden Monat werden weiterhin über 250 000 Menschen mit Nahrungsmitteln versorgt.
- Jüngste Reparaturarbeiten und Wasserverteilungen kamen seit März 2020 über sechs Millionen Menschen in ganz Syrien zugute.
- In den kommenden drei Monaten werden Pakete mit Hygieneartikeln an rund 750 000 Menschen verteilt.
- Hygieneartikel für rund 18 000 Inhaftierte sowie Desinfektionsmaterial werden an Zentralgefängnisse geliefert.