Erklärung

Israel und die besetzten palästinensischen Gebiete: Wahrung des Besatzungsrechts

Genf (IKRK) – Für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), das seit 1967 in der Region präsent ist, stehen das Westjordanland, einschliesslich Ostjerusalem, und sowie der Gazastreifen (zusammen die besetzten palästinensischen Gebiete) weiterhin unter israelischer Besetzung; diese wird im Rahmen der vertraglichen und gewohnheitsrechtlichen Regeln des humanitären Völkerrechts (HVR), einschliesslich der Regeln kriegerischer Besetzung, und der internationalen Menschenrechtsnormen geregelt.

Laut der langjährigen rechtlichen Position des IKRK sind der von Israel vorangetriebene Bau und Ausbau ziviler Siedlungen im besetzten Westjordanland unvereinbar mit den Verpflichtungen des Landes gemäss Art. 49 Abs. 6 des Vierten Genfer Abkommens von 1949, wonach die Umsiedlung eines Teils der Zivilbevölkerung der Besetzungsmacht auf das besetzte Gebiet verboten ist. Die Siedlungspolitik hat zu weiteren Verstössen gegen das HVR geführt und humanitäre Folgen für die Bevölkerung in den besetzten Gebieten verursacht, darunter Enteignungen, Schäden an und Zerstörung von Privateigentum, Zweckentfremdung öffentlichen Eigentums, Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung sowie der Einsatz von Gewalt israelischer Siedler gegen die palästinensische Bevölkerung und deren Eigentum.

Das IKRK unterstreicht kontinuierlich, dass die gesamte israelische Siedlungspolitik die Daseinsberechtigung des Besatzungsrechts unterminiert. Sie verändert auf fundamentale Weise die Ausgangslage, indem Fakten geschaffen werden auf der Grundlage eines mutmasslich andauernden Risikos mit weitreichenden humanitären Konsequenzen für die unter der Besetzung lebende palästinensische Bevölkerung. Die Siedlungspolitik zeigt auch, wie der Staat Israel die weitreichende Macht aus dem Besatzungsrecht im Hinblick auf den Einsatz von Ressourcen – oder anderen Gütern des von ihm besetzten Gebietes – zugunsten seines eigenen Gebiets bzw. seiner eigenen Bevölkerung nutzt, ohne seinen entsprechenden Verpflichtungen gegenüber der Bevölkerung der besetzten Gebiete nachzukommen.

Das IKRK ist zudem zutiefst besorgt über die aktuellen und künftigen humanitären Folgen einseitiger formaler Annexionen, wie diejenige von Ostjerusalem, bzw. der faktischen Annexion von Teilen des Westjordanlands auf geschützte Personen. Diese Sorge umfasst auch vergangene und aktuelle Massnahmen, mit denen gemäss dem Besatzungsrecht ein anhaltend rechtswidriger Zustand geschaffen wird.

Einseitige Annexionen sind mit dem Wortlaut und dem Geist des Besatzungsrechts sowie seiner zugrundeliegenden Prinzipien unvereinbar. Sie haben gemäss Völkerrecht weder Auswirkungen auf den rechtlichen Status der besetzten Gebiete noch Folgen jedweder Art auf die Anwendbarkeit der Regeln kriegerischer Besetzung auf diese Gebiete. Das HVR ist daher eindeutig, dass geschützte Personen unabhängig von der Art der Annexion geschützt bleiben müssen.

Das IKRK hat vorsätzliche Angriffe auf die israelische Bevölkerung wiederholt verurteilt und unterstrichen, dass diese klar gegen das HVR verstossen. Es anerkennt das Recht Israels auf Massnahmen zur Wahrung der Sicherheit seiner Bevölkerung. Allerdings müssen diese Massnahmen mit den entsprechenden Bestimmungen des HVR und den Menschenrechtsnormen im Einklang stehen.

Das IKRK bleibt davon überzeugt, dass die Verbesserung der Einhaltung des HVR und der Menschenrechtsnormen in den besetzten palästinensischen Gebieten ein entscheidender Faktor bei der Verringerung des Leids aller Betroffenen spielt. Das IKRK steht denjenigen, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind, weiterhin zur Seite und setzt sich vor Ort dafür ein, ihr Leid zu lindern.

Das IKRK ruft alle Staaten auf, gemäss ihrer Verpflichtungen aus dem gemeinsamen Artikel 1 der Genfer Abkommen von 1949 das HVR unter allen Umständen einzuhalten und seine Einhaltung durchzusetzen.