Medienmitteilung

Syrien: 35 000 Vermisste in 13 Konfliktjahren – das IKRK hilft Familien bei der Suche nach Antworten

Die folgende Stellungnahme stammt von Stephan Sakalian, Delegationsleiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Syrien.
ICRC land cruiser in Homs, Syria, driving past a collapsed building
Photographer: Jérôme SESSINI

„In den vergangenen 13 Jahren registrierte das IKRK 35 000 Fälle von Personen, die in Syrien verschwunden sind. 

Hinter jedem einzelnen Fall stehen eine Familie und unerträgliche Qualen, die mit den Jahren immer schlimmer werden. Während dieser Zeit haben wir uns stets darum bemüht, für die Familien Antworten zum Schicksal ihrer vermissten Liebsten zu finden. Das Recht der Familien, solche Antworten zu erhalten, war und ist weiterhin unsere Priorität.    

Diese Woche, als die Gefängnisse geöffnet und die Gefangenen freigelassen wurden, durchlebten diese Familien emotional schwierige Momente – Momente der Hoffnung, aber auch von Angst, Wut und Frustration.

Am Dienstag besuchten mein Team und ich zum ersten Mal das Gefängnis Saidnaya. Hunderte Menschen warteten im Freien. Ich sprach mit einer älteren Frau, die seit 7 Uhr morgens dort stand und verzweifelt versuchte, etwas über den Verbleib ihres seit über zehn Jahren vermissten Sohnes zu erfahren.  

Im Gefängnis sahen wir auf verschiedene Räume verteilt Stapel von beschädigten Dokumenten. Diese Unterlagen enthalten möglicherweise wichtige Informationen, die dazu beitragen könnten, Familien lang ersehnte Antworten zu liefern. Wir haben die Dokumente in die Obhut der Sicherheitsverantwortlichen des Gefängnisses übergeben.  

Das IKRK fordert sämtliche Parteien in Syrien eindringlich dazu auf, zu verhindern, dass wichtige Unterlagen wie Verhaftungsprotokolle, Listen von Gefangenen oder Verstorbenen, Gerichts- und Spitalakten zerstört werden.

In den vergangenen Wochen ging alles sehr schnell, doch wir nutzten jede Gelegenheit, um ehemalige Gefangene und Menschen, die nach vermissten Angehörigen suchen, zu unterstützen. Diese Woche eröffneten wir Hotlines für freigelassene Gefangene und Familienmitglieder, die zusammenfinden möchten. 

Gestützt auf die langjährige Erfahrung des IKRK boten wir allen Macht ausübenden Parteien in Syrien Hilfe an, um Vermisste ausfindig zu machen. Dazu gehören technische Unterstützung bei der Aufbewahrung von Unterlagen, die Sicherung von Grabstätten, der Schutz von Personendaten und die Gewährleistung professioneller forensischer Praktiken in Übereinstimmung mit den internationalen Standards. Wir sind auch einsatzbereit, um unsere neutrale Vermittlerrolle zu spielen und die Suche und Identifizierung zu erleichtern. 

Gleichzeitig werden wir freigelassene Gefangene und Familien von Vermissten weiterhin dabei unterstützen, ihre dringendsten Bedürfnisse zu erfüllen und werden ihnen psychische Betreuung, Gesundheitsversorgung, wirtschaftliche Unterstützung und rechtliche bzw. administrative Hilfe bereitstellen. Diese Woche lieferten wir beispielsweise medizinische Güter an zwei Spitäler in Damaskus, damit Verwundeten und ehemaligen Gefangenen geholfen werden kann. 

Wir haben unsere Dienste auch den am Konflikt beteiligten Parteien angeboten, dies im Hinblick auf den Besuch von Menschen, die sie gefangen halten. 

Das IKRK setzt sich seit Beginn des bewaffneten Konflikts in Syrien ununterbrochen für den Zugang zu allen Haftanstalten in Syrien ein. Die Bilder, die wir diese Woche gesehen haben, zeigen, wie wichtig dieser Zugang ist, um einen Teil des furchtbaren menschlichen Leids in Syrien und andernorts auf der ganzen Welt zu verhindern.“

Weitere Informationen:

 

Suhair Zakkout, IKRK Damaskus, E-Mail szakkout@icrc.org, Tel.: +963 930 336 718

Alyona Synenko, IKRK Beirut, E-Mail asynenko@icrc.org, Tel.: +961 81 569 718

Christian Cardon, IKRK Genf, E-Mail ccardon@icrc.org, Tel.: +41 79 574 05 64