Humanitäres Völkerrecht und Richtlinien über

Militäroperationen im Weltraum

Trotz des lang gehegten Wunsches der internationalen Gemeinschaft, den Weltraum für friedliche Zwecke zu nutzen, ist die militärische Verwendung des Weltraums und von Weltraumobjekten seit mehreren Jahrzehnten ganzheitlicher Bestandteil der zeitgenössischen Kriegsführung.

Militäroperationen im Weltraum und Weltraumwaffen

Da die Rolle von Weltraumsystemen im Rahmen von Militäroperationen in bewaffneten Konflikten immer wichtiger wird, steigt auch die Gefahr, dass sie zur Zielscheibe werden. Aktuelle und künftige Bedrohungen von Weltraumsystemen umfassen die elektronische Kriegsführung, Cyber-Operationen und Strahlenoperationen. Hinzu kommen die Verwendung von weltraum- oder bodengestützten Antisatellitenwaffen oder anderer Counterspace-Fähigkeiten wie schädliche Rendevous im Orbit und Ankoppelungen. 

Weltraumsysteme, insbesondere Navigations-, Kommunikations- und Fernüberwachungssatelliten, spielen eine unverzichtbare Rolle für wichtige zivile Infrastruktur, insbesondere im Energie- und Kommunikationssektor. Diese Sektoren ermöglichen die Bereitstellung wichtiger Dienstleistungen, von denen Zivilpersonen abhängig sind, z.B. Nahrungsmittel, Wasser, Strom, Sanitäranlagen, Abfallmanagement und Gesundheitsversorgung. 

Weltraumsysteme leisten auch einen Beitrag zu humanitären und Nothilfeeinsätzen. Zudem sind Weltraumsysteme unerlässlich für das Funktionieren, den Schutz, die Sicherheit oder die Wartung bestimmter Objekte und Menschen, die völkerrechtlich besonders geschützt sind. Die Störung oder Zerstörung von Weltraumsystemen mit solchen Funktionen könnte weitreichende Folgen für die Zivilbevölkerung wie auch für humanitäre Organisationen haben. 

Sämtliche militärischen Aktivitäten oder Operationen im Weltraum sind dem bestehenden Völkerrecht unterstellt.

Weltraumvertrag

Der Weltraumvertrag anerkennt das gemeinsame Interesse der Menschheit an der Erforschung und Nutzung des Weltraums für friedliche Zwecke. Gemäss Artikel IV ist es verboten, Gegenstände, die Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen tragen, in eine Erdumlaufbahn zu bringen und Himmelskörper mit derartigen Waffen zu bestücken oder solche Waffen im Weltraum zu stationieren.

Charta der Vereinten Nationen

In der Charta der Vereinten Nationen wird festgehalten, wann Staaten Gewalt anwenden dürfen; sie verbietet die Androhung oder Anwendung von Gewalt, ausser im Falle einer Ermächtigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gemäss Kapitel VII und von Selbstverteidigung nach Artikel 51.

Humanitäres Völkerrecht

Im humanitären Völkerrecht (HVR) werden Regeln für die Kriegsführung festgelegt mit dem Ziel, die Auswirkungen des bewaffneten Konflikts aus humanitären Gründen zu begrenzen. Es umfasst insbesondere den Grundsatz der Unterscheidung, das Verbot willkürlicher und unverhältnismässiger Angriffe und die Pflicht, alle möglichen Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen, um Verluste unter der Zivilbevölkerung zu verhindern oder zumindest zu verringern. 

Nach Ansicht des IKRK gelten diese Regeln nicht nur für kinetische (physische) Operationen gegen Weltraumobjekte, sondern auch für nicht kinetische Operationen, bei denen Weltraumobjekte ausser Betrieb gesetzt würden, ohne sie dabei notwendigerweise physisch zu beschädigen, wie Cyber-Kriegsführung. 

Bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit solcher Angriffe müssen alle vorhersehbaren direkten und indirekten Schäden an zivilen Objekten berücksichtigt werden, einschliesslich, wenn auf ein für militärische und zivile Zwecke verwendetes Weltraumobjekt gezielt wird. Bei der Anwendung dieser Regeln sind auch das Risiko der Entstehung von Weltraummüll und dessen indirekte Auswirkungen zu berücksichtigen. Das HVR verbietet im Allgemeinen auch Waffen, die unnötige Verletzungen oder Leiden verursachen und unterschiedslos sind sowie zahlreiche spezifische Waffenarten.

Neutralitätsrecht

Das Neutralitätsrecht regelt die Beziehungen zwischen kriegführenden und neutralen Staaten in Kriegszeiten. Wie das HVR dient es dazu, die negativen Folgen eines bewaffneten Konflikts einzudämmen. 

Die Tatsache, dass das Völkerrecht, einschliesslich HVR, Militäroperationen im oder im Zusammenhang mit dem Weltraum in Kriegszeiten einschränkt, fördert weder die Bewaffnung des Weltraums noch legitimiert sie Feindseligkeiten im Weltraum. 

In Anbetracht des beachtlichen Schadenrisikos für Zivilpersonen, sollten Staaten bei Entscheiden über Militäroperationen im Zusammenhang mit dem Weltraum auf nationaler und multilateraler Ebene die möglichen humanitären Folgen berücksichtigen. Staaten können für Waffen, Feindseligkeiten oder andere militärische Operationen im Zusammenhang mit dem Weltraum allgemeine Verbote oder spezifische Beschränkungen beschliessen. Sie können dies aus verschiedenen Gründen tun, darunter humanitären, wie dies mit dem Weltraumvertrag geschehen ist. Wenn neue rechtlich verbindliche Instrumente oder weitere Normen, Regeln und Grundsätze entwickelt werden, müssen sie mit dem bestehenden Rechtsrahmen, einschliesslich HVR, übereinstimmen, darauf aufbauen und diesen stärken.