Artikel

Internationaler bewaffneter Konflikt zwischen Russland und der Ukraine: Warum die Neutralität für die humanitäre Arbeit so wichtig ist

Madre de un prisionero de guerra sentada en un tanle con personal del CICR, escribiendo una carta a un ser querido.
Anna Bilous/KIKR

Neutrale, unabhängige und unparteiische humanitäre Arbeit in bewaffneten Konflikten ist ein grundlegender Bestandteil unserer Identität. Wenn wir als neutraler Vermittler agieren bedeutet dies, dass wir mit den Konfliktparteien arbeiten, um einige der heikelsten und kompliziertesten humanitären Tätigkeiten während eines bewaffneten Konfliktes zu ermöglichen.

Dazu gehört beispielsweise die Arbeit mit den Konfliktparteien, um die gefallenen Soldatinnen und Soldaten nach Hause zu bringen, Familien zu helfen, ihre Angehörigen wiederzusehen, indem sie über die Grenze gebracht werden, oder Rückführungen für Zivilpersonen zu organisieren.

Sichere Grenzübertritte

In seiner Rolle als neutraler Vermittler und nach einer Einigung zwischen den Parteien organisierte des IKRK 2024 den sicheren Grenzübertritt von mehr als 270 verletzlichen Erwachsenen aus einem von der einen Konfliktpartei kontrollierten Gebiet in ein von der anderen kontrolliertes Gebiet. Zudem halfen wir, mehrere Dutzend Kinder in Russland und der Ukraine wieder mit ihren Familien zu vereinen.

Informationen über Personen in Feindeshand:

Als neutraler Vermittler zwischen den Konfliktparteien sammelt, zentralisiert und bewahrt das Büro des Zentralen Suchdienstes des IKRK Informationen auf und übermittelt sie von der einen an die andere Seite. Dabei handelt es sich um Informationen über Angehörige von Streitkräften sowie Zivilpersonen, die sich in der Gewalt der Gegenseite befinden. Dadurch erhalten Familien Informationen darüber, wo sich Angehörige, die von ihnen getrennt wurden, die vermisst werden und / oder die in Feindeshand gefallen sind, aufhalten und was mit ihnen geschehen ist.

Ende Januar 2025 verzeichnete das IKRK mehr als 46 200 Fälle von Personen, die im Zusammenhang mit dem internationalen bewaffneten Konflikt vermisst werden. Die Mehrheit davon sind Kombattantinnen und Kombattanten. Mehr als 12 000 Familien wurden bereits über das Schicksal oder den Aufenthaltsort einer vermissten Person informiert. Wir konnten 11 500 persönliche Nachrichten direkt zwischen Kriegsgefangenen und ihren Familien übermitteln.

Zusätzlich stimmt sich das Büro des Zentralen Suchdienstes mit den IKRK-Delegationen in Russland und der Ukraine sowie mit dem globalen Netzwerk der nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften ab, um die Familien, die nach vermissten Angehörigen suchen, zu unterstützen.

Verstorbene Personen und Forensik

Das letztendliche Ziel der forensischen Arbeit des IKRK besteht darin, einen Beitrag dazu zu leisten, dass weniger Menschen vermisst werden und die Familien Antworten erhalten, damit sie wissen, was mit ihren Angehörigen geschehen ist. In diesem Konflikt ist es unsere Aufgabe als neutraler Beobachter, die Übergabe und Rückführung verstorbener Streitkräfteangehöriger zwischen den beiden Seiten zu überwachen sowie unser Fachwissen mit den Behörden zu teilen.

Die Konfliktparteien müssen sicherstellen, dass die Verstorbenen mit Würde behandelt werden. Leichen müssen respektvoll behandelt und die sterblichen Überreste angemessen gehandhabt werden. Leichen, deren Identität nicht bekannt ist, müssen identifiziert werden. Das humanitäre Völkerrecht sieht auch vor, dass nach den Toten gesucht wird und dass Leichen geborgen und evakuiert werden, damit das Schicksal aller geklärt werden kann.

Informationen über unsere Einsätze

Die menschlichen Kosten des Konflikts sind enorm. Familien wurden auseinandergerissen, viele Menschen haben ihr Leben verloren. Wir setzen alles daran, bei unserer Arbeit möglichst weit zu den Menschen vorzustossen, und zwar auf beiden Seiten der Front, in der Ukraine und in Russland. Die Eskalation des bewaffneten Konflikts ist nun in ihr viertes Jahr eingetreten, und wir unterstützen die Menschen bei der Deckung ihrer Grundbedürfnisse, mit dem Ziel, ihr Leiden wo immer möglich zu lindern.

Doch wir sind nicht alleine bei unserer Arbeit: 60 Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften aus der ganzen Welt sind im Einsatz, um die Not der Menschen in der Ukraine und in den Ländern der Region zu lindern.

Tätigkeiten der IKRK-Delegation in der Ukraine:

  • Mehr als 2,7 Millionen Menschen erhielten Zugang oder einen verbesserten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen (Wasser- und Abwasserversorgung, Heizung und Strom) dank der Unterstützung, die das IKRK für die Versorgungsbetriebe geleistet hat.
  • 21 Spitäler wurden regelmässig mit medizinischer Ausrüstung und Medikamenten versorgt, um den Andrang an Patientinnen und Patienten, unter anderem aus unmittelbarer Nähe zur Front, zu bewältigen.
  • 88 111 Personen erhielten Lebensmittelpakete, entweder direkt vom IKRK, in Partnerschaft mit der Ukrainischen Rotkreuzgesellschaft oder in sozialen Einrichtungen.

Tätigkeiten der IKRK-Delegation in Moskau im Jahr 2024:

Die Arbeit erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Russischen Roten Kreuz.

  • Mehr als 14 500 von Armut bedrohte Menschen in Russland erhielten Bargeldzuschüsse.
  • 4218 Kinder im Primarschulalter erhielten Schulmaterial und Gutscheine für Kleidung.
  • Angesichts der jüngsten Eskalation der Kämpfe in Kursk erhielten 25 000 notleidende Menschen Apotheken-Gutscheine. Zusätzlich erhielten 31 000 mittellose Menschen Prepaidkarten mit Geldguthaben.

Tätigkeiten des IKRK in Luhansk und in Donezk im Jahr 2024:

Die Arbeit erfolgte in Zusammenarbeit mit lokalen Einsatzpartnern.

  • Mehr als 39 500 Konfliktbetroffene, inklusive Vertriebene und Angehörige von Vermissten, erhielten Lebensmittelpakete, und mehr als 33 500 Personen erhielten Hygienesets.
  • Mehr als 50 Einrichtungen – darunter lokale Strukturen für verletzliche Gruppen, temporäre Unterkünfte für Vertriebene und Spitäler – erhielten Hilfe zur Verbesserung ihrer Dienste.
  • Für rund 122 000 Menschen wurde der Trinkwasserzugang verbessert. Drei örtliche Wasseraufbereitungsanlagen erhielten mehr als 100 Tonnen Baumaterial sowie operative Unterstützung für die Instandhaltung.