Erklärung

„Es ist an der Zeit, die Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik zu beenden“

Bangui (IKRK) – Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Peter Maurer, beendet heute seinen fünftägigen Besuch in der Zentralafrikanischen Republik, bei dem er den Präsidenten des Landes sowie offizielle Regierungsvertreter getroffen und mit Gemeindeleitern gesprochen hat. Er hat auch Kaga-Bandoro besucht, wo der Zugang zu Gesundheitsversorgung weiterhin eine grosse Herausforderung darstellt.

Mit der Fortsetzung der Zusammenstösse zwischen einer neuen Koalition bewaffneter Gruppen und Regierungstruppen in vielen Teilen des Landes leidet die Zentralafrikanische Republik unter einer katastrophalen humanitären Krise.

Die Lage hat sich in den letzten Monaten weiter verschlimmert. Aufgrund der bewaffneten Gewalt mussten über 180 000 Menschen aus ihren Häusern fliehen, um irgendeine Art von Schutz zu suchen. Und bereits vor der aktuellen Krise flüchtete jeder vierte Einwohner des Landes in eines der benachbarten Länder bzw. wurde dorthin vertrieben.

Hunderttausende haben nicht genug zu essen und können nicht medizinisch versorgt werden. So fand das IKRK-Personal drei Tage nach dem Ende der Kämpfe in Grimari eine Geisterstadt vor, in der es aufgrund fehlender Sicherheit schwierig war, sich fortzubewegen. Die Menschen waren traumatisiert von der Gewalt und warteten verzweifelt auf humanitäre Hilfe, die einfach nicht kam. Sie benötigen dringend Hilfe, Nahrungsmittel und andere grundlegende Güter, um zu überleben.

Die Hauptstrassen zwischen der Zentralafrikanischen Republik und Kamerun sind seit fast zwei Monaten gesperrt. In der Folge sind die Nahrungsmittelpreise auf den Märkten in Bangui und an anderen Orten in die Höhe geschnellt. Wir machen uns Sorgen, dass sich Mangelernährung weiter ausbreitet, weil viele Familien nicht länger genug Nahrungsmittel kaufen können oder die Lebensmittel, die sie kaufen, nicht genügend Nährstoffe enthalten.

Kaga-Bandoro ist eine Stadt im Nordosten des Landes. 2020 wurden rund 720 Betroffene sexueller Gewalt von uns betreut und wir führten 1 400 psychologische Konsultationen durch. Diese Zahlen verweisen auf ein schreckliches Niveau der Gewalt und zeigen dennoch nicht das ganze Ausmass der Bedürfnisse. Instabilität und weitverbreitete Gewalt schränken die Durchführung humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nothilfen erheblich ein. Die zunehmende Anzahl bewaffneter Gruppen erschwert jeglichen Aufbau eines strukturierten Dialogs und den Erhalt verlässlicher Sicherheitsgarantien für humanitäre Einsätze.

Einschüchterung, Bedrohung und Angriffe sind zur Normalität für humanitäre Helfer geworden und gefährden die Hilfsaktionen, die wir versuchen, durchzuführen. 2020 gab es 40 % mehr Gewaltakte gegen humanitäre Helfer als 2019.

Angriffe auf zivile Einrichtungen und humanitäre Helfer sind inakzeptabel und müssen enden. Darüber hinaus sind über 18 % der Gesundheitseinrichtungen ausser Betrieb, da sie zerstört oder geplündert wurden bzw. keine Medikamente, Ausrüstung oder Personal mehr haben. Es besteht eine gesetzliche Verpflichtung, medizinische Aktivitäten und Hilfseinsätze jederzeit und unter allen Umständen zu respektieren. Medizinisches Personal, Einrichtungen und Fahrzeuge sind im Rahmen des humanitären Völkerrechts geschützt. Alle Parteien sind zudem verpflichtet, humanitäre Einsätze zu verschonen und den Zugang zu medizinischer Versorgung für alle Menschen in Not zu ermöglichen.

Das IKRK erinnert alle an der Gewalt Beteiligten daran, dass sie in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht agieren und sicherstellen müssen, dass die Zivilbevölkerung, ehemalige Kämpfer sowie privates und kollektives Eigentum respektiert und weder Schaden erleiden noch beschädigt werden.

Unter diesen Umständen, in denen das Leben Tausender Menschen auf dem Spiel steht, ist die Bereitstellung neutraler und unparteilicher humanitärer Hilfe entscheidend.

Seit dem Ausbruch der Gewalt 2013 standen die IKRK-Teams ständig im Einsatz, Wunden zu versorgen – sichtbare und unsichtbare. Im vergangenen Jahr hat das IKRK im ganzen Land über 103 000 Patienten behandelt und 79 Verletzte in die Gesundheitseinrichtungen transportiert. Die fehlende Gesundheitsversorgung trifft Frauen und Kinder besonders schwer. Die Mütter- und Kindersterblichkeit in der Zentralafrikanischen Republik gehört zu den höchsten der Welt.

Die Menschen sind zermürbt von der Gewalt und es ist kein Ende in Sicht. Ohne Hoffnung auf persönlichen und wirtschaftlichen Fortschritt und ohne Hoffnung auf Sicherheit wird das andauernde Trauma der Menschen in der Zentralafrikanischen Republik die Zukunft einer ganzen Nation zerstören.