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Frauen in Nigeria: Erst Vertriebene, jetzt ein Vorbild

Gewalt vertrieb Jummai aus ihrer Heimat. Im Flüchtlingslager fand sie eine neue Aufgabe.

Ein normaler Tag im Leben der 35-jährigen Jummai Mohammed beginnt mit einem Frühgebet. Dann macht sie ihre Kinder für die Schule fertig. Sie arbeitet von 8.00 bis 16.00 Uhr, und kann zwischendurch nach Hause gehen, um das Mittagessen vorzubereiten und Wasser aus dem nahegelegenen Bohrloch zu holen.

Die Mutter von sechs Kindern aus dem Bundesstaat Borno lebt nach einem Angriff, infolgedessen sie und ihre sechs Kinder vertrieben wurden, im Lager Gubio in Maiduguri. Ihr Mann wurde bereits bei einem früheren Angriff getötet. Gubio ist eines der zahlreichen Lager, in denen über 30 462 Binnenvertriebene Zuflucht gefunden haben. Im Nordosten von Nigeria sind 80 Prozent der vertriebenen Bevölkerung Frauen und Kinder.

An jenem schicksalhaften Tag stürmten bewaffnete Gruppen den Markt in Gamboru, wo Jummai und ihre Familie lebten, und brannten die Polizeistation und viele Geschäfte nieder. Bei diesem Angriff wurde ihr Mann schwer verletzt und starb noch vor Ort. Jummai erfuhr erst am nächsten Tag davon: Sie war auf der Suche nach Schutz mit ihren Kindern in den Busch geflüchtet und kam erst am nächsten morgen zurück.

Nur drei Wochen später wurde ihre Stadt erneut angegriffen. „Wir dachten, es sei einer der üblichen Attacken, bei dem sie immer dasselbe tun und dann wieder verschwinden", erzählt Jummai. Zusammen mit ihrer Mutter, ihren Kindern und Brüdern gelang es ihnen, die Grenze nach Fotokol in Kamerun zu überqueren, wo sie sechs Monate lebten. Während dieser Zeit kostete ein weiterer Angriff das Leben ihres Neffen und Onkels.

Jummai und ihre Familie konnten schliesslich in den Bundesstaat Adamawa in Nigeria gelangen, wo sie später von den lokalen Behörden in das Lager Gubio umgesiedelt wurden und nun seit mittlerweile fünf Jahren leben.

Hilfe für Mütter in Konfliktgebieten

Gubio displacement camp where Jummai lives is a camp prone to overcrowding as more displaced people move there.

 Das Flüchtlingslager in Gubio

Das Leben im Lager ist nicht leicht, vor allem für Jummai und die anderen Frauen. Für ihre Kinder sind sie nun Mutter und Vater. Doch inmitten all dieser Herausforderungen hat Jummai eine Möglichkeit gefunden, die anderen Frauen des Lagers zu unterstützen. Sie gehört zu den Anführerinnen und läd zweimal im Monat zu Frauentreffen und Informationsveranstaltungen ein. 25 Frauen nehmen im Durchschnitt an den Treffen teil.

Im Rahmen ihrer Veranstaltungen hilft sie anderen Frauen, mit Themen wie Wohlergehen der Kinder, psychologische Probleme und Probleme bei der Wahrung der Existenzgrundlage umzugehen und diese zu meistern. Die grosse Vielfalt im Lager hat zu neuen Herausforderungen geführt: Hier leben Menschen mit vielen verschiedenen Sprachen, Kulturen, Stammeszugehörigkeiten und traditionellen Glaubensrichtungen zusammen.

Frauen, die sich bevor sie ins Lager kamen in Gefangenschaft bewaffneter Gruppen befanden sind Jummai besonders ans Herz gewachsen. Einige der Frauen und/oder deren Kinder leiden unter Stigmatisierung und Diskriminierung durch ihre Familien, die Behörden und in der Gemeinschaft. Manchmal werden die Kinder auch als „Kinder der bewaffneten Gruppen" bezeichnet und haben Mühe, sich aufgrund dieser Stigmatisierung gut zu integrieren.

Jummai organisiert auch für diese Frauen und Kinder, die von bewaffneten Gruppierungen festgehalten wurden, Treffen. Hier finden sie einen sicheren Ort, an dem offen über alles Erlebte gesprochen werden kann. „Viele Frauen, die zurückgekehrt sind, leiden unter Scham und können sich nicht frei im Lager bewegen. Männern wird oftmals abgeraten, diese Frauen zu heiraten, was zuätzliche Diskriminierung mit sich bringt. Manche haben Depressionen", erklärt Jummai.

Dank der Sensibilisierung im Rahmen der von Jummai organisierten Treffen und der entsprechenden psychosozialen Unterstützung sind einige Frauen wieder selbstbewusster geworden und haben Verständnis für ihre Situation erringen können. Die Menschen akzeptieren sie wieder – so haben viele der Frauen seither geheiratet und rund 125 Betroffene eine Beschäftigung aufgenommen, von der sie leben können.

Der wichtigste Teil meiner Arbeit ist Mediation, um stigmatisierte Frauen hier im Lager besser schützen zu können.

Junge Mädchen im Lager bewundern Jummai; sie ist für viele ein Vorbild geworden. Oft spricht sie mit ihnen über die Bedeutung von Respekt und Selbstwertgefühl sowie über ihren Beitrag zur Gemeinschaft. Am meisten gefällt ihr an ihrer Führungsrolle, dass sie dazu beitragen kann, Konflikte zwischen den Menschen, selbst innerhalb von Familien, zu lösen.

Jummai hat auch erfolgreich zur Förderung von medizinischen Tests beigetragen, die Paare vor einer Eheschliessung im Lager durchführen müssen. So konnten Infektionen bzw. Übertragungen des Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) oder anderer sexuell übertragbarer Krankheiten bei Ehepartnern verringert werden.

Meine grösste Motivation als Anführerin im Lager ist die Unterstützung, die ich von vielen Menschen bekomme. Wenn ich eine Empfehlung ausspreche, die dann angenommen wird, motiviert es mich sehr, weiterzumachen.

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