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Binnenvertriebene

Stellungnahme des IKRK bei den Vereinten Nationen, 2016

Bericht des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Fragen zu Flüchtlingen, Heimkehrern und Vertriebenen sowie humanitäre Angelegenheiten. Stellungnahmen des IKRK.

Leider haben gewaltsame Vertreibungen im Jahr 2016 erneut weltweit einen Höchststand erreicht. Rund zwei Drittel der Betroffenen sind Binnenvertriebene. Die Hauptursachen für diese Entwicklung sind allgemein bekannt. Die Staaten tun nicht genug dafür, bewaffnete Konflikte vorzubeugen bzw. diese zu lösen, und es wird bei weitem nicht genug dafür getan, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten bzw. seine Einhaltung zu gewährleisten.

Das IKRK begrüsst die New Yorker Erklärung zu Flüchtlingen und Migranten als wichtiger politischer Ausdruck der internationalen Staatengemeinschaft hinsichtlich des Bedarfs, die Reaktionsfähigkeit für diese gefährdeten Gruppen zu verbessern. Das IKRK unterstützt die Ausarbeitung der beiden globalen Rahmenwerke („Global Compacts") mit seiner Erfahrung und Expertise.

Das IKRK möchte diese Gelegenheit nutzen, die Staaten aufzufordern, ihr Augenmerk auf die Binnenvertreibung zu richten, die weiterhin eines der grössten humanitären Probleme unserer Zeit darstellt. Die Mehrzahl der Menschen, die aufgrund von bewaffneten Konflikten und anderen Situationen von Gewalt entwurzelt werden, bleiben innerhalb ihres Landes. Wenn zudem Menschen betroffen sind, die internationale Grenzen überschreiten, braucht es einen holistischen Ansatz, der auch Binnenvertreibung anspricht und versucht diese vorzubeugen. Dazu gehören der wirksame Schutz und die Unterstützung der Zivilbevölkerung in Ländern, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind, wobei eine deutlich strengere Einhaltung des humanitären Völkerrechts entscheidend ist. Das IKRK steht bereit, seinen Teil beizutragen, betont aber immer wieder, dass die Hauptverantwortung für den Schutz und die Unterstützung der Zivilbevölkerung bei den Parteien der bewaffneten Konflikten liegt.

Als Teil seiner anhaltenden Unterstützung für die Flüchtlingskonvention der Organisation für Afrikanische Einheit (Kampala-Konvention) hat das IKRK unlängst die Ergebnisse einer Bestandsaufnahme zu Erfahrungen, bewährten Vorgehensweisen und Hauptproblemen staatlicher Bemühungen zur Umsetzung der Konvention in echte Verbesserungen für Binnenvertriebene und aufnehmende Gemeinschaften veröffentlicht. Das IKRK hofft, dass die Afrikanische Union, ihre Mitgliedsstaaten und regionalen Organisationen diesen Bericht als nützlich erachten und dieser zu dem dringend erforderlichen Wissensaustausch für eine optimale Umsetzung der Konvention beitragen kann.

Eine der übergreifenden Herausforderungen, die der Bericht identifiziert, ist die Notwendigkeit eines aktiven Dialogs mit den Vertriebenen sowie den aufnehmenden Gemeinschaften. Die Binnenvertriebenen müssen an der Planung, Umsetzung und Bewertung der Programme beteiligt werden, damit ihre individuellen Perspektiven, Bedürfnisse und Fähigkeiten berücksichtigt werden.

Vertriebene Kinder laufen Gefahr von ihren Familien getrennt oder zwangsrekrutiert zu werden. Das Trauma einer Vertreibung bringt zudem häufig psychologische und psychosoziale Bedürfnisse mit sich. Viel zu vielen Kindern bleibt auch der Zugang zu Bildung mitunter mehrere Jahre verwehrt - mit langfristigen Konsequenzen für sie und die ganze Familie.

Das IKRK hofft, dass im Rahmen des bevorstehenden Dialogs des Hochkommissars zu den Herausforderungen bei Schutzmassnahmen (High Commissioner's Dialogue on Protection Challenges) untersucht wird, wie Behörden und Organisationen vertriebene Kinder verstärkt in Bildungs- und andere Programme integrieren können. Das IKRK setzt seine Bemühungen fort, die Parteien bewaffneter Konflikte an ihre Verpflichtungen gemäss dem humanitären Völkerrecht gegenüber der Zivilbevölkerung und zivilen Einrichtungen - insbesondere den Schutz von Schulen, Lehrern und Schülern - zu erinnern. Ausserdem fordert das IKRK die Staaten und Parteien bewaffneter Konflikte auf, sicherzustellen, dass vertriebene Kinder weiterhin Zugang zu Bildung erhalten, unter anderem durch die Beseitigung administrativer Hürden.

Das IKRK unterstützt auf vielfältige Weise Kinder und Familien, die aufgrund von Konflikten und anderen Situation von Gewalt vertrieben wurden, und ist bereit, jegliche Bemühungen zu unterstützen, vertriebenen Kindern wieder Zugang zu Bildung zu verschaffen.