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Malaysia: Schnelles Handeln der Behörden zur Verringerung des COVID-19-Risikos in Haftanstalten

Kuala Lumpur – Die malaysischen Behörden haben zügige Massnahmen zum Schutz von Gefängnisinsassen vor COVID-19 ergriffen und sprechen bei Verstössen gegen die Bestimmung zur Kontrolle der Bewegungsfreiheit („Movement Control Order", MCO) keine Freiheitsstrafen mehr aus. Diese Massnahme ist eine Reaktion auf den Aufruf des Generaldirektors des malaysischen Gefängnisamts, Datuk Seri Zulkifli Omar, derartige Verstösse nicht mehr mit Freiheitsentzug zu bestrafen, um dem Risiko entgegenzuwirken, dass die neuen Insassen einen Ausbruch von COVID-19 in den Haftanstalten verursachen könnten.

Die Leiterin der Regionaldelegation des Internationales Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Kuala Lumpur, Biljana Milosevic, begrüsste die Entscheidung mit den Worten, dass diese Massnahme im Einklang mit der globalen Haltung der Organisation im Hinblick auf das Problem der Überbelegung von Haftanstalten und das damit verbundene zusätzliche Infektionsrisiko für Insassen stehe. Das IKRK hat ferner darauf hingewiesen, dass die Inhaftierung weiterer Personen der eigentlichen Absicht der MCO, die Ausbreitung von COVID-19 im Land zu verhindern, zuwiderläuft.

Die malaysischen Behörden arbeiten proaktiv daran, die Ausbreitung der Pandemie in Haftanstalten zu verhindern, indem sie Massnahmen wie Fiebermessen bei Neuankömmlingen, Gesundheitstests für das Gefängnispersonal, Desinfektionsarbeiten und die Einrichtung von Isolationsbereichen und Quarantänezentren durchgeführt sowie ein Besuchsverbot ausgesprochen haben. Aufgrund dieser wichtigen Massnahmen wurden bisher aus keiner einzigen Haftanstalt des Landes Infektionen gemeldet.

Milosevic unterstrich die Bedeutung kontinuierlicher und konsistenter Massnahmen, um sicherzustellen, dass dies so lange wie möglich der Fall sei. Die Regionaldirektion hat eng mit allen betroffenen Behörden zusammengearbeitet, damit diese in die Lage versetzt und darauf vorbereitet werden konnten, Infektionen vorzubeugen und im Fall eines Ausbruchs entsprechend zu reagieren.
Das IKRK hat in allen Haftanstalten, Ausschaffungs- und temporären Gefängnissen persönliche Schutzausrüstung wie Masken und Hygieneartikel, darunter Seife und Handdesinfektionsmittel für das Personal und die Inhaftierten, verteilt (siehe Abbildung ). Darüber hinaus wurden Fieberthermometer ausgegeben, um Neuankömmlinge und das Personal zu testen und diese im Fall von Symptomen zu isolieren. Wir wissen aus Erfahrung, dass ein ununterbrochener Zugang zu Seife, sauberem Wasser und anderen Hygieneartikeln die Ausbreitung der Krankheit in diesen Einrichtungen verhindern kann.

Im Rahmen seiner Richtlinien zur Gesundheitsversorgung in Haftanstalten bei COVID-19 hat das IKRK auch technische Unterstützung bereitgestellt; dabei wurden die Richtlinien unter Anleitung des Gesundheitsministeriums an die Gegebenheiten in Malaysia angepasst. Während Gesundheitsversorgung und Sicherheit der Insassen von vorrangiger Bedeutung sind, ist es ausserdem äusserst wichtig, dass die Häftlinge und ihre Angehörigen trotz des Besuchsverbots anhand verschiedener Kommunikationsmittel weiter in Kontakt bleiben können.

Wir sind fest davon überzeugt, dass eine Reduzierung der Anzahl Insassen dazu beitragen kann, das Risiko für einen Ausbruch von COVID-19 in Gefängnissen zu verringern. Deshalb wurden unter gewissen Umständen Empfehlungen berücksichtigt, gefährdete Insassen freizulassen, um die Gesundheitsversorgung in den Gefängnissen nicht zusätzlich zu belasten. So haben die zuständigen Behörden des Nachbarlands Indonesien letzte Woche rund 22 000 Personen aus Gefängnissen entlassen, um das Risiko einer Übertragung in ihren Einrichtungen zu verringern.

Es bleibt eine Tatsache, dass sich das Coronavirus leicht verbreitet. Es wird angenommen, dass die Übertragungsrate in Haftanstalten aufgrund der Bedingungen in den Einrichtungen höher ist, weil die Insassen auf engem Raum leben und so Physical Distancing unmöglich machen. Die Situation kann sich auch aufgrund des generellen Gesundheitszustands der Inhaftierten weiter verschärfen. Die Insassen stammen häufig aus schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen mit einem nur begrenzten Zugang zu Gesundheitsversorgung und angemessener Ernährung. So ist ihr Immunsystem möglicherweise aufgrund einer Tuberkuloseerkrankung, von HIV/AIDS oder anderen bereits bestehenden chronischen Erkrankungen wie Diabetes geschwächt.

Deshalb könnte jede Infektion verheerende Folgen für alle Gefängnisinsassen haben. Ausgangssperren könnten ebenfalls ein Problem darstellen, denn Gefängnisse sind nicht vollständig von der Gesellschaft abgeschottet. Obschon ein Besuchsverbot ausgesprochen wurde, verlässt und betritt das Personal natürlich regelmässig die Einrichtungen, was zwangsläufig zu Kontakten mit der allgemeinen Bevölkerung führt.

Auf Grundlage unserer Arbeit zu Haftbedingungen und unserer Fürsprache für Massnahmen ohne Freiheitsentzug sowie entsprechender Alternativen, haben wir Regierungsvertretern, Richtern, Staatsanwälten und Vertretern der Haftanstalten verschiedene Optionen präsentiert, die Situation zu überdenken und die vielen Faktoren, die bei solchen Entscheidungen eine Rolle spielen, gleichermassen zu berücksichtigen. Wir sind darauf vorbereitet, weitere Unterstützung und unsere Erfahrung beim Schutz und der Kontrolle von Infektionen bereitzustellen. Gleichzeitig müssen aber auch die Grundrechte und die Würde der Insassen aller malaysischen Haftanstalten und Ausschaffungsgefängnisse gewahrt werden.

Die COVID-19-Pandemie ist ein globaler Kampf, der einer globalen Antwort bedarf. Dieser unsichtbare Gegner verschont niemanden und verlangt von uns allen zweifelsohne eine direkte, gemeinsame und unmissverständliche Antwort. Er ist eine Bedrohung für uns alle, für unsere Gesundheitssysteme, für alle Bereiche der globalen Wirtschaft und für das menschliche Leben, unabhängig davon, wo wir auf der Welt leben. Das IKRK ist davon überzeugt, dass wir diesen Kampf gemeinsam austragen und gemeinsam gewinnen müssen.

> Infografik in Englischer Sprache: COVID-19 assistance to Malaysian prisons & detention centres