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Update zum Einsatz in Äthiopien: IKRK besorgt über humanitäre Lage in ländlichen Gebieten Tigrays

Die Kämpfe in der äthiopischen Region Tigray begannen vor mehr als vier Monaten. Während die Strom- und Wasserversorgung sowie das Fernmeldenetz nach und nach wieder ihren Betrieb aufnehmen und die Märkte in den grösseren Städten wieder geöffnet sind, ist der humanitäre Zugang in ländlichen Gebieten abseits der grossen Strassen aufgrund der prekären Sicherheitslage nach wie vor schwierig.

 

Über den humanitären Bedarf in vielen ländlichen Gebieten ist zu wenig bekannt, und ein sicherer Zugang zu diesen Gebieten ist eine der Prioritäten und eine der grössten Herausforderungen. Nach Einschätzung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sind die Nahrungsmittelvorräte in den ländlichen Gebieten Tigrays gefährlich gering, weil viele Menschen bei ihrer Flucht alles zurücklassen mussten. Weitere grosse Probleme sind der Mangel an Gesundheitsversorgung und Sicherheit.

In der ganzen Region fehlt es Vertriebenen und den Gemeinschaften, die sie aufnehmen, am Notwendigsten, darunter Trinkwasser, Nahrung und Unterkunft. In den grösseren Städten treffen auch weiterhin Vertriebene ein, und die öffentlichen Dienste und Infrastrukturen sind dem zunehmenden Bedarf kaum gewachsen. Zahlreiche Familien wurden auf der Flucht getrennt, und viele Menschen wissen trotz des teilweise wieder funktionierenden Fernmeldenetzes noch immer nicht, was aus ihren Angehörigen geworden ist. Nach den monatelangen Kämpfen herrschen noch immer bedrückende Angst und Ungewissheit.

Seit Beginn der Kämpfe ist das IKRK in der Region präsent und leistet in Zusammenarbeit mit dem Äthiopischen Roten Kreuz (ERCS) Nothilfe für die Menschen in Tigray und diejenigen, die in benachbarte Regionen flüchteten.

Um weiterhin auf die akuten humanitären Bedürfnisse eingehen zu können, weitet das IKRK seine Aktivitäten in Tigray aus. Höchste Priorität hat die Gesundheitsversorgung. Die Organisation unterstützt zwei Referenzspitäler und vier Allgemeinspitäler, um die Behandlung von Verwundeten sowie auch weiterhin die Bereitstellung der wichtigsten medizinischen Dienste zu ermöglichen. Die Unterstützung der Primärversorgung hat nun eine noch höhere Priorität, da die meisten Basisgesundheitszentren in der Region ausser Betrieb sind. Sie spielen eine zentrale Rolle, da sie normalerweise 70 % aller Patienten versorgen und den Druck auf die Krankenhäuser verringern.

Neben der Bereitstellung von Nothilfe unterstützt das IKRK Menschen bei der Suche nach Angehörigen und der Kontaktaufnahme, besucht Personen, die im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen inhaftiert wurden, und setzt sich für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts ein.

Schwerpunkte der IKRK-Aktivitäten von November 2020 bis Februar 2021

Unterstützung für Gesundheitseinrichtungen

  • Das IKRK lieferte medizinisches Material an acht Gesundheitseinrichtungen in Tigray und neun Einrichtungen im Norden Amharas.
  • Das an Gesundheitseinrichtungen in Mek'ele, Adigrat, Adua, Aksum und Shire gelieferte medizinische Material sollte für die Behandlung von 500 Schwerverletzten oder 2 100 Leichtverletzten ausreichen. Zudem wurden Medikamente für die Behandlung von rund 6 900 allgemeinmedizinischen und 2 000 Diabetes-Patienten geliefert.
  • Das regionale Gesundheitsamt in Tigray erhielt Material für die primäre Gesundheitsversorgung von 10 000 Patienten sowie chirurgisches Material für die Behandlung von 150 Schwerverletzten und 600 Leichtverletzten.
  • Gesundheitseinrichtungen in Gondar erhielten Material für die Behandlung von 250 Schwerverletzten oder 950 Leichtverletzten.
  • Gesundheitseinrichtungen in Nord- und Süd-Wollo erhielten Material für die Behandlung von 300 Schwerverletzten oder 1100 Leichtverletzten.
  • Um die präklinische Versorgung zu verbessern, stellte das IKRK den regionalen Zweigstellen des Äthiopischen Roten Kreuzes Material für die Wiederauffüllung von 650 Erste-Hilfe-Sets zur Verfügung.
  • Für rund 3300 Menschen – darunter Patienten, Gesundheitspersonal und ihre Angehörigen – im Allgemeinspital in Shire sowie den Gesundheitszentren Five Angels, Alganesh und Humer in Shire, im St. Mary-Spital in Aksum und im Don Bosco-Spital in Adua wurden 85 Tonnen Mehl und 1500 Liter Speiseöl zur Verfügung gestellt.
  • Das Spital in Mek'ele erhielt Ersatzteile für die Wasseraufbereitungsanlage.

Wasser und sanitäre Anlagen

Das IKRK verbessert für Vertriebene und die Gemeinschaften, die sie aufnehmen, den Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen. Bei der Reparatur der wichtigsten Wasserversorgungsanlagen arbeitet es mit der regionalen Wasserbehörde zusammen.

  • Es spendete Duschen und Toiletten für 400 Personen im Vertriebenenlager Loza-Mariam in Gondar.
  • Mit Lastwagen bringt es 64 000 Liter Wasser pro Tag für 7000 Vertriebene in Mek'ele, 64 000 Liter pro Tag für 4300 Menschen in Shire und 30 000 Liter pro Tag für 5000 Vertriebene in Aksum.
  • Das IKRK spendete fünf Tonnen Calciumhypochlorit für die Aufbereitungsanlage in Mek'ele, mit dem einen Monat lang Wasser für 800 000 Menschen aufbereitet wird.

Nothilfeleistungen

Das IKRK verteilt die wichtigsten Haushaltgeräte an Vertriebene, damit diese ihre Grundbedürfnisse decken können. Bisher stellte es Nothilfe bereit für

  • 5000 Haushalte in Shire;
  • 2860 Haushalte in Adigrat;
  • 1146 Haushalte in Mek'ele;
  • 814 Haushalte in AbduRafi;
  • 50 Haushalte in Gondar.

Mobilitätshilfen und Rehabilitation

Das IKRK unterstützt Rehabilitationskliniken, in denen Personen, die aufgrund von Verletzungen Gliedmaßen verloren haben, Reha und Mobilitätshilfen erhalten.

  • Es spendete 2050 Gehhilfen an das Bahir Dar-Spital sowie 2050 Gehhilfen und vier Rollstühle an das Rehabilitationszentrum in Dese.
  • 28 Mitglieder des äthiopischen Physiotherapeutenverbandes wurden für Freiwilligeneinsätze in öffentlichen Spitälern im Norden Äthiopiens ausgebildet, darunter in Dese, Weldiya, Kobo, Alamata, Mersa, Debarq und Bahir Dar.
  • Patienten der Spitäler in Dese und Bahir Dar erhielten Frühreha-Behandlungen.
  • Die Mek'ele Reha-Klinik behandelte 70 Patienten und entliess 35 von ihnen nach physiotherapeutischer Behandlung mit Prothesen und Mobilitätshilfen.

Hilfe bei der Suche nach Angehörigen und der Kontaktaufnahme

  • In enger Zusammenarbeit mit dem Äthiopischen Roten Kreuz und dem Sudanesischen Roten Halbmond trägt das IKRK zur Wiederaufnahme von Kontakten zu Angehörigen bei.
  • In Äthiopien konnten 4333 Familien durch Anrufe und „Sicher&Gesund"-Nachrichten wieder Kontakt zu Angehörigen aufnehmen.
  • Im Sudan hatten fast 13 000 äthiopische Flüchtlinge Gelegenheit, Kontakt zu ihren Familien aufzunehmen.

Zusammenarbeit mit dem Äthiopischen Roten Kreuz (ERCS)

Das ERCS erhielt Hilfe bei der Wartung von Ambulanzen sowie finanzielle Unterstützung, um während der Krise den raschen Einsatz von Freiwilligen zu gewährleisten.

  • 42 Ambulanzen beförderten und behandelten nahezu 4900 Verwundete.
  • Für die ERCS-Freiwilligen wurden Erste-Hilfe-Auffrischungskurse durchgeführt, damit sie wieder eingesetzt werden konnten.
  • Mehrere gemeinsame Konvois lieferten 40 Tonnen Nahrungsmittel und 400 Erste-Hilfe-Sets an drei ERCS-Zweigstellen in Tigray.