Medienmitteilung

In Zeiten von Unsicherheit und Konflikt müssen die Staaten zusammenarbeiten, um das humanitäre Völkerrecht zu stärken und aufrechtzuerhalten

In times of insecurity and conflict, states must work together to uphold and strengthen international humanitarian law

Genf (IKRK) – In einer Zeit, in der sich die Spannungen weltweit verschärfen, die Zahl und das Ausmass der bewaffneten Konflikte zunehmen und viele Staaten vor akuten Sicherheitsproblemen stehen, ist die Rolle des humanitären Völkerrechts (HVR) wichtiger denn je.

 

Das IKRK befürchtet, dass die Verträge des HVR als Instrumente gesehen werden könnten, die in Zeiten des Friedens und der Stabilität verabschiedet wurden, die aber aufgegeben werden, sobald eine erhöhte Bedrohung für die Sicherheit existiert oder ein bewaffneter Konflikt ausbricht. Diese Vorstellung steht in grundsätzlichem Widerspruch zum gesamten Konzept des humanitären Völkerrechts.

Wir sehen jedoch Anzeichen, die genau in diese Richtung weisen. Das litauische Parlament hat dafür gestimmt, sich aus dem Übereinkommen über Streumunition zurückzuziehen. Damit schafft es einen historischen und beunruhigenden Präzedenzfall, der über dieses Übereinkommen hinausreicht.

Die Aufrechterhaltung und Stärkung des humanitären Völkerrechts ist eine kollektive Verantwortung aller Staaten. Deshalb ist – trotz sich ständig verändernder Sicherheitslagen und zahlreicher bewaffneter Konflikte auf der ganzen Welt – kein Staat je von einem der fünf multilateralen Verträge zurückgetreten, die eine gesamte Kategorie von Waffen umfassend verbieten und aus humanitären Anliegen heraus entstanden: das Übereinkommen über Streumunition, das Übereinkommen über das Verbot von Antipersonenminen, das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen, das Chemiewaffenübereinkommen und der Vertrag über das Verbot von Atomwaffen.

Durch die Umsetzung dieser Verträge wurden zehntausende Tonnen Wirkstoffe für chemische Waffen und hunderte Millionen Antipersonenminen und Streumunition vernichtet. Diese Verträge haben verhindert, dass sich der entsetzliche Einsatz von Kampfgas aus dem Ersten Weltkrieg wiederholt, und sie haben hunderttausende Zivilpersonen vor der unterschiedslosen Zerstörung von Antipersonenminen und Streumunition geschützt. Die Verträge verringern Leiden, sie schützen die Zivilbevölkerung und mildern die schlimmsten Auswirkungen von Kriegen. Sie sind aus der harten, entsetzlichen Erfahrung zweier Weltkriege hervorgegangen – einer Erfahrung, die, dazu hat sich die internationale Gemeinschaft entschlossen, sich nie wiederholen darf.

„Das humanitäre Völkerrecht ist nicht für die hoffnungsvollen Tage der Friedenszeiten gedacht. Es wurde für die dunkelsten Tage der Menschheit ins Leben gerufen, wenn bewaffnete Konflikte wüten und die Menschen in grosser Gefahr sind. Es ist entscheidend, dass die Staaten nicht anfangen, sich aus Verträgen und Übereinkommen – wie den Genfer Abkommen, die dieses Jahr ihr 75-jähriges Bestehen feiern – zurückzuziehen; Regelwerke, die die Sicherheit verletzlicher Menschen gewährleisten und die Schrecken des Krieges abmildern“, erklärte IKRK-Präsidentin Mirjana Spoljaric.

Das IKRK ruft deshalb alle Staaten auf:

  • sich nicht aus Verträgen des humanitären Völkerrechts zurückzuziehen, und Rückzugsverfahren, die bereits eingeleitet wurden, unverzüglich abzubrechen;
  • öffentlich den Wert und die Bedeutung des humanitären Völkerrechts zu bekräftigen und von staatlichen Handlungen abzuraten, die das HVR untergraben oder schwächen würden;
  • die Öffentlichkeit für die Rolle und die Funktion des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten zu sensibilisieren und unter der Bevölkerung ein Verständnis für die Risiken einer Aushöhlung des HVR zu fördern.

Über das IKRK

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist eine neutrale, unparteiische und unabhängige Organisation mit einem ausschliesslich humanitären Auftrag, der in den Genfer Abkommen von 1949 verankert ist. Es hilft Menschen auf der ganzen Welt, die von bewaffneten Konflikten und anderen Formen von Gewalt betroffen sind, und es bemüht sich nach Kräften, ihr Leben und ihre Würde zu schützen und ihre Leiden zu lindern. Dies geschieht häufig an der Seite seiner Rotkreuz- und Rothalbmondpartner.

Weitere Informationen:


Crystal Ashley Wells, IKRK Genf, Tel.: +41 79 642 80 56, E-Mail: cwells@icrc.org

Christoph Hanger, IKRK Genf, Tel.: +41 79 731 04 03, E-Mail: changer@icrc.org